18.08.2016 | 06.11.2016 | Das besondere Kunstwerk N° 11

Albert Renger-Patzsch
Das Neue Sehen

Abb.: Albert Renger-Patzsch (1897–1966), Essen Stadtrand, 1929, Silbergelatine-Abzug, erworben 1993, © Albert Renger-Patzsch Archiv/Ann und Jürgen Wilde/VG Bild-Kunst, Bonn 2016


Albert Renger-Patzsch gehört neben August Sander, Karl Blossfeldt und Hans Finsler zu den Begründern und wichtigsten Protagonisten des Neuen Sehens, der Avantgardefotografie der Zwischenkriegszeit. In den 1920er Jahren entwickelte er einen ebenso sachlichen wie persönlichen Stil. So wählte er für sein 1928 erschienenes Buch Die Welt ist schön 100 Fotografien aus, mit denen er ein systematisches Inventar der Welt vorstellen wollte.

Renger-Patzsch lehnte das Konstruieren, Montieren und Experimentieren ab und konzentrierte sich auf die spezifischen Eigenheiten und Möglichkeiten der Kamerafotografie. Gekonnt inszenierte er seine Motive – Pflanzen, Architekturen, Industrieprodukte – mittels prägnanter Ausschnitte, die den Blick des Betrachters auf Details lenken, auf Formen, Strukturen und Materialbeschaffenheit. Auf diese Weise ermöglichen seine Bilder eine neue Sicht auf die moderne Welt.

Bereits 1927 verfasste er in seinem programmatischen Text Ziele, publiziert in Das Deutsche Lichtbild, sein künstlerisches Credo: „Die Photographie hat ihre e i g e n e Technik und ihre e i g e n e n Mittel. [...] Das Geheimnis einer guten Photographie, die künstlerische Qualitäten wie ein Werk der bildenden Kunst besitzen kann, beruht in ihrem Realismus. [...] Noch zu wenig werden die Möglichkeiten geschätzt, die gestatten, den Zauber des Materials wiederzugeben. [...] Die absolut richtige Formwiedergabe, die Feinheit der Tonabstufung vom höchsten Spitzlicht bis zum tiefsten Kernschatten gibt der technisch gekonnten photographischen Aufnahme den Zauber des Erlebnisses.“

Um 1930 setzte sich Renger-Patzsch fotografisch intensiv mit dem Ruhrgebiet auseinander. Er nahm Stadtlandschaften, Industriearchitekturen und Vorstadtsituationen auf. Seine Aufnahmen der von der Montan- und Stahlindustrie geprägten Region dokumentieren, wie die fortschreitende Industrialisierung Städte und Landschaft verändert. Für seine Bildkompositionen nutzte der Fotograf vor allem senkrechte und waagerechte Elemente der Wohn- und Industriebauten, bisweilen von Diagonalen akzentuiert. Anlässlich des 50. Todestages des Künstlers zeigt das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) drei Arbeiten aus seiner Ruhrgebiets-Serie, die das Museum 1993 neben zehn weiteren Aufnahmen erwarb. Damit nimmt das Werk Renger-Patzschs auch in der museumseigenen Sammlung Fotografie eine bedeutende Position innerhalb der Fotografie der Moderne ein.