Die historischen Zimmer im Talamt
Auf den Grundmauern des Südflügels der Moritzburg errichtete die Stadt Halle in den Jahren 1903/1904 ihr neues Kunstgewerbemuseum. Aus dem 1882 abgerissenen Talamt wurden zwei prachtvolle Räume, das Gerichts- und das Festzimmer geborgen und in das neue Museum integriert. Sie sind herausragende Zeugnisse der repräsentativen bürgerlichen Kultur der Renaissance und des Manierismus in der Saalestadt.
Die 1594 datierte Täfelung des Gerichtszimmers gilt als Hauptwerk der Kunsttischlerei der Renaissance in Halle. Die Kassettendecke ist mit gemalten Ornamenten und vergoldeten plastischem Beschlagwerk dekorativ verziert. Oberhalb eines umlaufenden Gesimses sind die Wände mit einer Bilderfolge geschmückt. Heraus ragt das Gemälde mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts über der Tür. Die lateinische Losung „Gerechtigkeit und Treue" verweist zusammen mit dem biblischen Bild auf die Grenzen der irdischen Gerichtsbarkeit.
Ungewöhnlich prachtvoll ist die Ausgestaltung des Erkers. Farbige Intarsien mit Scheinperspektiven und Reliefschnitzereien sind vermutlich das Werk von Augustin Stellwagen. Sein Name ist heute durch ein Gerichtsurteil bekannt. Stellwagen hatte in der Moritzburg Silbergeschirr gestohlen, wofür er am 28. Dezember 1611 gehängt werden sollte. Die Begnadigung zur Ausweisung aus der Stadt wurde ausgesprochen „weil er ein kunstreicher Tischler war".
Das Festzimmer wurde um 1616 in das Talamt eingebaut. Mit seiner aufwendigen Portalarchitektur und der reich gegliederten und in strahlenden Farben leuchtenden Kassettendecke bot der Raum einen faszinierenden Rahmen für Festessen, Hochzeiten oder Empfänge. So wurde in diesem Zimmer mehrfach der damalige Landesherr, Administrator August von Sachsen, zum Mittagsmahl nach der Bornfahrt vom Salzgrafen und den Pfännern eingeladen.
Künstlerisch besticht die Ausgestaltung durch ihren übermütigen Reichtum an Ornamenten, ihre Freude an dekorativer Fülle und ihre starke plastische Wirkung. Die mit farbigen Blumenranken und plastischen Rosetten geschmückte Decke rahmt üppig vier bemerkenswerte Gemälde. Die Allegorien der vier Jahreszeiten wurden nach Entwürfen von Hendrik Goltzius (1558–1617) aus dem Jahr 1588 geschaffen.